Was man dagegen tun kann, damit die Frau die Lust am Sex nicht verliert

Estefano: Okay, die nächste Frage wäre: Das ist eine der Fragen die ich oft bekomme. Warum verlieren Frauen oft in längeren Beziehungen die Lust auf Sex? Was kann man als Mann dagegen tun, um diese Lust aufrechtzuerhalten bei der Frau?‍

Frau Dr. Wagner: Also ich glaube, dass Männer auch ein bisschen die Lust verlieren. Dass das also für beide Geschlechter gilt. Aber es stimmt schon. Frauen haben das meistens. Es ist wie mit dem Stachelschwein. Wir möchten zunächst einmal in großer Harmonie leben. Man ist sich ja zunächst fremd und kommt dann aufeinander zu und versucht Gleichheit zu entdecken und Harmonie zu erzeugen.

Aber Sex lebt ja auch von der Spannung und das mit den Stachelschweinen das ist so: Es kommt von einem bekannten Philosophen. Schopenhauer. Es ist kalt und die Stachelschweine liegen in dieser alten Scheune und wollen aneinander näher rücken. Denn sie wollen das, um sich gegenseitig zu wärmen und merken dabei, dass sie sich dabei piksen. Durch die vielen Borsten und voller Schrecken gehen sie wieder auseinander.

‍Estefano: Stimmt. Wie machen Stachelschweine das eigentlich? Das weiß ich gar nicht. Jetzt wo ich so darüber nachdenke.

‍Frau Dr. Wagner: Ich weiß das nur von Schopenhauer. Jedenfalls gehen die Stachelschweine dann auseinander und merken dann, dass es plötzlich wieder sehr, sehr kalt wird, wenn sie nicht mehr nebeneinander liegen. Das lässt sich natürlich auch auf den Menschen übertragen. Wenn wir alleine sind, fehlt uns die menschliche Nähe und wenn wir zu sehr aneinander kleben, dann tut es auch weh und es ist auch nicht gut für die Beziehung.

Das heißt: Das optimale ist ein gesundes Mittelmaß zu entdecken. Dass man sich nicht zu sehr auf die Pelle rückt, aber auch nicht zu vereinzelt ist, Für Sex finde ich das genau das Richtige. Also schon Gemeinsamkeiten teilen, aber immer wieder auch für Fremdheit sorgen. Gemeinsame Ziele entdecken, aber nicht alles zusammen machen. Gelegentlich wieder alleine weggehen. Da hat man etwas zu erzählen. Dann kommt vielleicht ein bisschen Ungewissheit rein. Was macht sie da jetzt, wenn sie da ausgeht? Jetzt wird die von anderen Typen angesprochen. So ein bisschen Eifersucht, so ein bisschen Ungewissheit belebt das Sexleben. Und umgekehrt machen sich auch die Frauen Gedanken.

Die Frau hat natürlich das Gleiche im Kopf. Jetzt wird der Mann von vielen Frauen angesprochen. Das belebt natürlich auch das Interesse automatisch. Das ist so eine Sache, dass man immer wieder für ein bisschen Fremdheit sorgt.

Der zweite Tipp ist natürlich jetzt rein auf die Sexualität bezogen. Da kann man auch einiges mache. Immer die gleiche Nummer? Immer das gleiche Lieblingsessen? Irgendwann hat man es einfach satt. Es geht einfach nicht. Aber viele haben sich dann so eingestellt. Sie machen quasi Sex nach dem kleinsten Nenner. Der kleinste gemeinsame Nenner. Das was Beiden gut gefällt. Und das wird immer und immer und immer wieder gemacht.

Natürlich ist das langweilig, weil wir sind ja auf Neugierde aus. Das heißt jetzt: Wir müssen schauen, dass wir immer wieder so ein bisschen in Bereiche hineingehen, die fremd sind und die ein bisschen Angst machen. So in Tabubereiche. Tabus zu brechen ist ein ganz großes Aphrodisiakum. Man muss sich also immer wieder trauen. Heute machen wir mal ein bisschen was anderes! Etwas das ungewöhnlich ist und dann wird die Frau schon auch darauf einsteigen.

Und auch etwas Ungewöhnliches. Man kann es dann weiter ausarbeiten und schon hat man es geschafft in diese Grauzone vorzustoßen. Aus dieser Grauzone kann sich dann vielleicht eine ganz neue Technik, eine ganz neue Spielart ein ganz neues Sexualleben entwickeln. Also nicht stehen bleiben, sondern sich trauen immer wieder etwas Neues auszuprobieren.‍

Estefano: Ja das ist ein ganz guter Rat. Eines der Geheimnisse, die ich entdeckt habe um Sex langfristig in einer Beziehung gutzumachen. Ich habe eine geniale Rede gesehen von Esther Perel. Ich weiß nicht, ob du sie kennst. Das ist eine Paartherapeutin und ich wollte ein paar Punkte aus ihrer Rede erwähnen, weil ich das einfach so gut fand: Und zwar sagte sie, dass bei uns Menschen das Problem folgendes ist: Wir haben verschiedene Gefühle die Konflikte in uns hervorrufen.

Auf der einen Seite wollen wir Sicherheit, Stabilität, Zuverlässigkeit, Beständigkeit. Auf der anderen Seite wollen wir etwas Mysteriöses, das Abenteuer, neue Sachen, aufregende Dinge. Und das Ganze ist ein Widerspruch. Wir haben halt oft zu viele Erwartungen an ein und dieselbe Person. Wir wollen, dass sie der Liebhaber ist, der Freund, der Mysteriöse, aber auch der Bekannte, der Vertraute, aber auch der Neue. Das Problem ist genau das.

Und deshalb sagt Esther Perel: Liebe ist haben.

Es heißt: Man kennt jemanden. Die Distanz ist minimal und man hat keine Spannung. Aber Verlangen ist wollen. Das ist also per Definition etwas, das man nicht hat. Dass man aber haben will, weil eben Spannung da ist und weil diese Distanz da ist. Die Frage die sie dann stellt ist: Kann man etwas wollen, dass man schon hat oder nicht?

Wie macht man das Ganze?

Ihre geniale Antwort darauf war eben zu sagen, dass man etwas Neues erleben kann, indem man nicht an einen neuen Ort reist, sondern indem man denselben Ort mit neuen Augen sieht. Das fand ich so genial! Auf eine andere Art und Weise das Gleiche zu sehen. Sie haben dann in einer Umfrage quer durch 31 Länder Paare gefragt: Wann fühlst du dich am meisten zu deinem Partner hingezogen?

Es gibt drei Antworten, die sich immer und immer wieder wiederholt haben bei diesen Paaren, die man befragt hat. Das ist wirklich genial. Wenn du das verstehst, kannst du langfristig eben eine Beziehung spannend halten. Was sie dann gesagt haben war …

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Spass!

Das erste ist Abstand. Und zwar: Wenn der Partner mal eine Weile weg ist. Was die meisten Männer nicht realisieren ist: Eine Frau verliebt sich ja auch in einen Mann in seiner Abwesenheit. Nicht in seiner Anwesenheit. Es ist beides nötig. Wenn du die ganze Zeit auf ihr hockst, dann bauen sich diese Gefühle nicht auf. Und deshalb ist es in einer Beziehung auch manchmal gut, wenn die Partner voneinander getrennt sind. Das kann jetzt im Kleinen sein. Meinetwegen in einem anderen Zimmer am Abend oder das kann natürlich auch sein, dass der eine Partner mal irgendwohin reist. Oder das er etwas machen muss oder alleine etwas macht.

Der zweite Punkt der genannt wurde, war Leidenschaft. Leidenschaft ist so wichtig. Wenn der Partner etwas macht, indem er voll aufgeht. Wenn er seine Passion, wenn er seiner Leidenschaft folgt, seinem Ziel, wenn er auf der Bühne, im Studio spricht, wenn er in seinem Element ist. Seine Leidenschaft ist zu unterstützen.

Und das dritte waren halt diese kleinen Überraschungen. Wenn man Spaß miteinander hat. Dieses Bettgeflüster. Wenn man Spaß im Bett hat. Das waren diese drei Dinge, die sich bei allen Paaren immer wiederholt haben.

Jetzt am Schluss noch das Geheimnis, dass ich verraten wollte und was mir extrem viel gebracht hat. Du hast eine innere Alarmglocke. Wenn Sex schlecht ist, merkst du es irgendwie. Du weißt irgendwie, du hast keine Lust drauf oder danach merkst irgendwie das es nicht wirklich aufregend war. Es war irgendwie nur erledigt und hinter dich gebracht.

Dieses Gefühl darfst du kein einziges Mal jemals spüren. Wenn du es spürst, dann musst du sofort die Reißleine ziehen und sagen: Jetzt habe ich erst wieder Sex, wenn wir beide wirklich wieder Bock drauf haben. Also, wenn wir wirklich Lust drauf haben. Zweitens mache ich etwas das ist auf keinen Fall langweilig wird. Die meisten Männer ignorieren diese inneren Signale, dieser Alarmglocke und haben dann dauernd wieder nur normalen Sex, durchschnittlichen bis unterdurchschnittlichen Sex und irgendwie hat die Frau keine Lust mehr drauf und die Spannung ist raus.

‍Frau Dr. Wagner: Und die Frauen ignorieren es genauso. Auch sie sagen sich: Jetzt einmal schlechten Sex. Das ist nicht so schlimm. Das ist allerdings ein genialer Tipp von dir. Ich sage das auch immer. Das ist ein Alarmsignal, wenn der Sex schlecht wird. Wenn du keine Lust hast, dieses Bauchgefühl, wie du sagst. Und du solltest das wirklich als Alarmsignal benutzen.

Wir machen etwas anderes jetzt. Ist das Zeichen dafür da, die Ampel ist rot oder die Alarmanlage ist an. Dann ist das der Zeitpunkt: Jetzt machen wir etwas anderes. Und auch Frauen sollten das tun. Beide trauen sich dann meistens nicht. Das meine ich mit diesem kleinsten gemeinsamen Nenner. Beide bleiben in ihrer Komfortzone und machen immer wieder das Gleiche.

‍Estefano: Es gibt auch aus diesem amerikanischen Sprichwort folgenden Tipp. Und zwar heißt es da: „Communicate with value or don´t communicate at all.“ Also: „Sprich, wenn du Mehrwert bieten kannst oder sprich halt gar nicht!“

Und übertragen auf das auf Sex ist es das Gleiche. Habe Sex, wenn du tollen Sex hast oder habe einfach keinen Sex. Und das ist eigentlich so der Schlüssel, denke ich, gerade langfristig.

‍Frau Dr. Wagner: Dazu braucht man natürlich erst einmal Mut. Wenn man etwas Neues machen will oder mit dem Partner darüber sprechen will. An diesem Punkt, wo man etwas merkt, wo man dieses Bauchgefühl hat ,wenn man etwas verändern will. Was genau verändern? Sich jetzt und einfach dann nur auf so einen Sextipp einlassen reicht nicht. Das muss ja auch aus einem selbst rauskommen. Man muss es ja auch fühlen. Es geht ja um diese Wünsche, die selbst in einem drinnen sind. Wusstest du, dass wir mehr sexuelle Wünsche in uns tragen, als wir je Zeit haben werden diese auszuleben?

‍Estefano: Sehr interessant.

‍Frau Dr. Wagner: Wir müssen diese nur nach und nach immer wieder entdecken. Wenn wir uns nicht so ein bisschen was trauen, nicht einmal trauen zu sagen: „Mensch Schatz, heute machen wir es mal ganz anders oder heute würde ich mir mal trauen da in diesem Park zu gehen und dann … da schauen wir mal ob uns jemand beobachtet oder vielleicht auch nicht!“ Diese ganzen geheimen kleinen Wünsche, die in diesen Tabubereichen drin sind. Wenn man die entdeckt und weiter macht, dann haben wir eigentlich unser Leben lang ausgesorgt.

‍Estefano: Stimmt. Was mir auffiel und sehr viel gebracht hat in meinem Leben ist: Zu akzeptieren, dass es bestimmte Sachen gibt, die du halt als Mann willst. Das Problem ist immer. Wenn man sich verstellt, geht es immer in beide Richtungen. Immer, wenn man sich versteht und etwas versteckt vorm anderen Partner, dann hat man das Problem, dass du nie rausfinden wirst, ob der Partner das eigentlich auch mögen würde oder nicht. Was jetzt passiert ist: Du kannst nur verlieren. Du versteckst dich ja selbst. Du zeigst eine Version von dir, die nicht echt ist. Wenn der Partner damit leben kann, dann mag er etwas was eigentlich nicht du bist. Auf der anderen Seite wenn du zeigen würdest ...

‍Frau Dr. Wagner: … Flagge zeigen würdest, dann bist du authentisch und bringst natürlich auch gleichzeitig frischen Wind mit.

‍Estefano: Genau. Wenn du es zeigst und die Partnerin mag es nicht. Dann ist das nicht was du zeigst. Du bist halt so. Du kannst es nicht ändern. Dann such dir wen anderes. Dann suche einfach eine Frau die halt zu dir passt. Natürlich nicht, wenn sie nur die eine Sache Bett nicht mag. Also nicht, dass du dir dann gleich jemand Anderen suchst. Aber generell ist so, dass die meisten Männer zu wenig Auswahl haben und zu wenig kritisch sind am Anfang mit Frauen und zu wenig versuchen eben eine Frau zu finden, bei der es passt im Bett. Viel besser ist es, wenn du gleich zeigst, wie du bist. Von Anfang an. Ohne dich zu verstellen und dann sieht man ja sofort, ob es passt oder nicht. Damit wirst du tausendmal glücklicher.

‍Frau Dr. Wagner: Wobei du jetzt einen Aspekt noch nicht mitberücksichtigt hast. Dass man sich natürlich auch weiterentwickeln kann. Nimm mal an: Du als Mann machst jetzt einer Frau einen total verrückten Vorschlag und sie ist sich nicht sicher. Das ist sehr interessant. Zum Beispiel irgendwie aus dem SM Bereich und die Frau sagt: „Ja, das ist ja nicht schlecht, aber eigentlich weiß ich noch gar nicht, ob ich das will.“ Sie ist einfach noch nicht so weit jetzt. Du kannst sie ja erstens dahin führen, dass es eventuell Spaß macht und zweitens bist du ja mit deinen sexuellen Wünschen nicht total festgelegt. Nehmen wir mal an du würdest auf SM, also Sadomasochismus stehen. Dann würde ich immer erst mal fragen: Was gibt dir das? Was genau brauchst du? Was ist das Gefühl, dass du im Kopf hast? Geht es darum die Peitsche zu schwingen? ...

‍Estefano: ... oder ist es ein Gefühl von Dominanz?

‍Frau Dr. Wagner: Ist das ein Gefühl von Dominanz oder Unterwerfung. Nimmt man jetzt an, die Frau mag keinen Schmerz, aber sie mag jetzt das Gefühl, dass der Mann dominant ist, dann kann man die sexuelle Fantasie so ein bisschen rumdrehen und psychologisch dominant sein.

‍Estefano: Interessant. Also das Gefühl dahinter betrachten. Sehr schlau.

‍Frau Dr. Wagner: Zum guten Sex gehört auch immer, dass du dich darüber unterhältst. Es ist nicht wortlos. Wenn jetzt der Mann und die Frau einen total verrückten Wunsch hat, dann wäre so mein Tipp: Überlege ob es geht und wenn es nicht geht: Frag mal nach! Was willst du eigentlich damit? Aber jetzt nicht negativ. Sondern einfach interessiert. Was gibt dir das? Was ist das Schöne für dich daran? Versuche zu verstehen was der andere damit will. Was er dabei fühlt.

‍Estefano: Der Schlüssel zu großartigen Sex ist genau das was du gerade gesagt hast. Der Schlüssel zu großartigen Sex ist nämlich nicht nur, dass du ehrlich miteinander reden kannst darüber. Das setzt voraus, dass du es selbst machst und auch dass dein Partner willens ist neue Sachen auszuprobieren. Jemand der am Anfang feststellt, dass es nicht gut passt im Bett kann es ja besser werden lassen solange der Partner offen ist für neues. Aber auch: Wenn es passt im Bett und er ist nicht offen für neues, wird es irgendwann langweilig und wird schlechter. Das ist genau das, was du sagst.

‍Frau Dr. Wagner: Ja, genau. Wie lange kennen wir uns schon

‍Estefano: Seit dem Kindergarten … da haben wir immer zusammen gespielt.

‍Frau Dr. Wagner: Immer über Sex geredet.

‍Estefano: Stimmt, ja.

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